SOC/115

"Finanzielle Beteiligung

der Arbeitnehmer"

 
 
 
 
 
 

      Brüssel, den 26. Februar 2003 
 
 
 
 
 

STELLUNGNAHME

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

zur

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament,

den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

"Rahmenbedingungen für die Förderung der finanziellen Beteiligung der Arbeitnehmer"

(KOM(2002) 364 endg.)

______________________ 

Berichterstatter: Herr SEPI

______________________ 
 
 
 


 

            Die Kommission beschloss am 5. Juli 2002 gemäß Artikel 262 EG-Vertrag, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss mit folgender Vorlage zu befassen: 

" Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – 'Rahmenbedingungen für die Förderung der Beteiligung der Arbeitnehmer' "

(KOM(2002) 364 endg.). 

            Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 5. Februar 2003 an. Berichterstatter war Herr SEPI. 

            Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete am 26. Februar 2003 auf seiner 397. Plenartagung mit 98 gegen 5 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme: 

*

*     *

  1.  Einleitung
    1.   Das Thema der finanziellen Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmensgewinnen und Betriebsergebnissen war Gegenstand zahlreicher Initiativen auf Gemeinschaftsebene zur Unterstützung und Förderung der Bemühung der einzelstaatlichen Regierungen und der Sozialpartner um Schaffung eines günstigen Rahmens für die Verbreitung dieses Instruments. Erinnert sei insbesondere an die Arbeiten der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung näherer Kenntnisse über dieses Thema geleistet haben. Demnächst wird auch das Europäische Parlament einen Bericht über dieses Thema verabschieden, über das mit dem EWSA ein konstruktiver Gedankenaustausch geführt wurde.
    1.   Mit der Mitteilung, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist, möchte die Kommission dafür sorgen, dass die Gemeinschaft bei diesem Thema wieder verstärkt die Initiative in die Hand nimmt, und stützt sich dabei auf die im März 2001 auf dem Gipfeltreffen in Lissabon festgelegte Strategie, die das Ziel hat, die Wettbewerbsfähigkeit und Dynamik der europäischen Wirtschaft zu steigern und dabei das Wissen und den sozialen Zusammenhalt weiter zu entwickeln.
    1.   Der EWSA ist von dieser Mitteilung der Kommission sehr angetan und davon überzeugt, dass die finanzielle Beteiligung in der europäischen Strategie eine wichtige Rolle spielen kann, eine eingehendere Analyse der Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit in verschiedenen Formen zweckmäßig ist und dabei nicht nur die Chancen, sondern auch die damit verbundenen Risiken und Schwierigkeiten angemessen berücksichtigt werden müssen.
  1.  Die Inhalte der Mitteilung
    1.   Ziel der Mitteilung der Kommission ist es, einen Rahmen für die Tätigkeit der Gemeinschaft abzustecken, um die Verbreitung der finanziellen Beteiligung möglichst vieler Arbeitnehmer auf Unternehmensebene wie auch innerhalb des gesamten Produktionssystems durch die aktive Einbeziehung der Sozialpartner zu fördern.
    1.   Die Festlegung dieses allgemeinen Rahmens gliedert sich in drei Punkte:
      1.   Festlegung allgemeiner Grundsätze für die finanzielle Beteiligung mit dem Ziel, eine gemeinsame Richtschnur für die Politiken der Mitgliedstaaten und die Initiativen der Sozialpartner zu liefern;
      1.   Ermittlung der wichtigsten transnationalen Hindernisse, die derzeit der Durchführung von Initiativen zur finanziellen Beteiligung auf europäischer oder multinationaler Ebene im Weg stehen, und das Ergreifen geeigneter Maßnahmen, um diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen;
      1.   Aufzeigen von Instrumenten zur Förderung einer größeren Verbreitung der finanziellen Beteiligung durch Unterstützung des Informations- und Erfahrungsaustauschs und der Durchführung von Forschungsarbeiten und Studien zu diesem Thema.
    1.   Zu den allgemeinen Grundsätzen der finanziellen Beteiligung hat die Kommission auf der Grundlage der in den wichtigsten Ländern gesammelten Erfahrungen und der durchgeführten Analysen und Überlegungen einige Kernelemente herausgearbeitet, die im Folgenden vorgestellt werden und über die sich ein allgemeiner Konsens herausgebildet hat.
      1.   Freiwilligkeit der Einführung von Systemen der finanziellen Beteiligung sowohl für die Unternehmen als auch für die einzelnen Arbeitnehmer.
      1.   Zugang aller Arbeitnehmer zu einem System der finanziellen Beteiligung ohne jede Diskriminierung, aber mit teilweisen Differenzierungen der Bedingungen je nach den unterschiedlichen Interessen und Erfordernissen der verschiedenen Arbeitnehmergruppen.
      1.   Klare und transparente Regelungen für die finanzielle Beteiligung sowohl in der Konzeptionsphase, in der eine angemessene Konsultation der Arbeitnehmer vorgesehen sein sollte, als auch in der Phase ihrer Umsetzung, in der im Voraus festgelegte Formeln für die Beteiligung am Betriebsergebnis angewandt werden.
      1.   Regelmäßigkeit der Beteiligungssysteme, wobei es sich nicht um eine episodische Beteiligung handeln sollte, sondern um ein möglichst konstantes Merkmal der Beziehungen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern.
      1.   Beschränkung der Risiken für die Arbeitnehmer angesichts der Konzentration der Risiken, die im Vergleich zu anderen Investoren auf ihnen lastet.
      1.   Die Löhne und Gehälter sollen durch die Systeme der finanziellen Beteiligung nicht ersetzt, sondern ergänzt werden.
      1.   Die Systeme der finanziellen Beteiligung sollten mit der Mobilität der Arbeitnehmer vereinbar sein und keine Hindernisse oder Hemmnisse für ihre Mobilität und Flexibilität darstellen.
    1.   Was das Problem der supranationalen Hindernisse bei der Verbreitung der finanziellen Beteiligung auf europäischer Ebene angeht, so hält die Kommission eine Harmonisierung der Vorschriften über die finanzielle Beteiligung zur Begrenzung der negativen Auswirkungen der unterschiedlichen Steuer-, Vorsorge- und Rechtssysteme für nicht praktikabel. Der gangbare Weg wäre der, die Unternehmen bei der Einführung von Beteiligungssystemen auf europäischer Ebene zu unterstützen, indem die Mitgliedstaaten ermuntert werden, Formen der Koordinierung und Abstimmung über die allgemeinen Grundsätze einzuführen und die gegenseitige Anerkennung der verschiedenen Beteiligungssysteme zu verbreiten. Des Weiteren hält es die Kommission für zweckmäßig, die Möglichkeit zu prüfen, eines oder mehrere europäische Systeme der finanziellen Beteiligung zu entwickeln, die an das jeweilige nationale Umfeld angepasst werden können.
      1.   In diesem Rahmen sieht die Kommission vorrangig einen intensiveren Erfahrungsaustausch als sinnvollen Weg zur Überwindung der kulturellen Hindernisse.
      1.   Hinsichtlich der anderen Arten von Hindernissen hält die Kommission hingegen spezifische Maßnahmen für erforderlich. Sie unterstreicht vor allem die Notwendigkeit, das Problem der Doppelbesteuerung zu lösen, entweder durch eine Auslegung bereits in Kraft befindlicher OECD-Abkommen oder, sollten sich diese als unzureichend erweisen, durch ihre Ergänzung und Anpassung an die spezifischen Erfordernisse der EU-Staaten.
      1.   Darüber hinaus hat die Kommission eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die für jede Art grenzüberschreitender Hindernisse für die Systeme der finanziellen Beteiligung spezifische Lösungsvorschläge erarbeiten soll.
    1.   Hinsichtlich des Ziels, den Anwendungsbereich der finanziellen Beteiligung auszudehnen, beabsichtigt die Kommission, durch eine Reihe von Initiativen zur Erreichung der im Folgenden genannten Ziele ein günstiges Umfeld zu schaffen:
      1.   Förderung des Informationsaustauschs durch vergleichende Analysen der einzelstaatlichen Politiken und Praktiken;
      1.   Verstärkung des sozialen Dialogs über die finanzielle Beteiligung durch Förderung und Unterstützung der Initiativen der Sozialpartner;
      1.   Untersuchung der Möglichkeit, auch in KMU sowie im öffentlichen und im gemeinnützigen Sektor Versuche mit Formen der finanziellen Beteiligung durchzuführen;
      1.   bessere Information durch Förderung von Untersuchungen und Studien, die insbesondere einer systematischen Datensammlung über die Nutzung und Verbreitung von Systemen der finanziellen Beteiligung und einer eingehenderen betriebswirtschaftlichen Analyse der finanziellen Beteiligung im Rahmen der Strategien und Finanzpolitiken der Unternehmen und der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern dienen sollen;
      1.   Schaffung europaweiter Netze zur Sicherstellung eines ständigen Informationsaustauschs und einer unablässigen Vertiefung und Untersuchung.
      1.   Die Kommission sieht vor, solche Initiativen auch finanziell mit Gemeinschaftsmitteln zu fördern.
  1.  Allgemeine Bemerkungen
    1.   Die finanzielle Beteiligung der Arbeitnehmer steht im Einklang mit der jüngsten Entwicklung der europäischen Wirtschaft und kann darin eine positive Rolle spielen, indem sie durch Verbesserungen im Bereich der Effizienz, Flexibilität, der Einbindung der Arbeitnehmer in die Unternehmensziele sowie einer für den sozialen Dialog im Sinne der Entwicklung und Stärkung des Zusammenhalts empfänglichen Verwaltung einen Mehrwert schafft.
      1.   Verschiedene Faktoren im Zusammenhang mit den Veränderungen in den Kapitalverwendungsprozessen und in der Organisation der Produktionsfaktoren haben nämlich zu einer steigenden Bedeutung des Humankapitals geführt und begünstigen eine immer stärkere Einbindung der Arbeitnehmer in die Verfolgung der Unternehmensziele. Mit dieser Einbindung geht eine zunehmende Beteiligung der Arbeitnehmer an den wirtschaftlichen Ergebnissen des Unternehmens einher.
    1.   In den meisten großen EU-Ländern erfolgt diese Beteiligung zumeist auf individueller Ebene durch die Ausweitung des variablen Einkommensanteils, der als Anreiz dient, und die Aufstellung von Plänen für Aktienbezugsrechte oder Aktienbesitz für einzelne Arbeitnehmer oder beschränkte Kategorien von Arbeitnehmern (vor allem in höheren Positionen).
    1.   Kaum entwickelt und zwischen den Mitgliedstaaten uneinheitlich – abgesehen von der Erfahrung der Arbeitnehmeraktiengesellschaften – scheinen hingegen die Formen der finanziellen Beteiligung zu sein, die sich an alle Beschäftigten oder sehr große Gruppen von ihnen richten.
      1.   Dabei können gerade die Formen der finanziellen Beteiligung, die sich an alle Beschäftigten richten, dem europäischen Unternehmenssystem den größten Nutzen bringen und die Konflikte zwischen den Tarifparteien entschärfen und entsprechen damit dem im März 2002 auf dem Gipfeltreffen in Lissabon vorgegebenen "Ziel, die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen – einen Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen"1.
      1.   Die finanzielle Beteiligung kann in der Tat eine effiziente Art und Weise darstellen, die Investitionen sowohl der Unternehmen als auch der Beschäftigten in Wissen und berufliche Kompetenzen zu steigern und dadurch den Wert des Humankapitals zu erhöhen. Es wurde nachgewiesen2, dass ein positives Verhältnis zwischen der Einführung von Formen finanzieller Beteiligung und Investitionen in die berufliche Bildung besteht. Die Investitionen in Humankapital, zu denen sowohl das Unternehmen als auch die Arbeitnehmer beitragen müssen, werden durch die längerfristigeren Beziehungen und die stärkere Identifikation mit den Unternehmenszielen, welche die Systeme der finanziellen Beteiligung mit sich bringen, gefördert.
      1.   Darüber hinaus führt die finanzielle Beteiligung zu erhöhter Transparenz der Unternehmen. Die Durchführung von Plänen zur finanziellen Beteiligung erfordert nämlich einerseits, dass die Unternehmen hinsichtlich der Information "offener" werden, um die Rentabilitätsindikatoren, an welche die finanzielle Beteiligung gebunden ist, feststellen und beobachten zu können, und andererseits werden dadurch die Unternehmen selbst dazu veranlasst, die Qualität ihrer Kommunikation mit den Arbeitnehmern über die Strategie und die Ergebnisse zu intensivieren und zu verbessern, um die Einbindung der Arbeitnehmer in das Leben des Unternehmens, die ja Hauptziel der finanziellen Beteiligung ist, wirksam zu machen.
      1.   Daraus ergibt sich für die Unternehmen, die an der finanziellen Beteiligung interessiert sind, auch eine stärkere "Neigung zur Transparenz", die sich insbesondere bei noch nicht börsennotierten Unternehmen positiv auf die Beziehungen zum Produktmarkt und vor allem auf jene zum Kapitalmarkt auswirken kann.
      1.   Angesichts der Bedeutung, welche die finanzielle Beteiligung in den beiden genannten Bereichen haben kann (Aufwertung des Humankapitals sowie größere Transparenz und Kommunikationsfähigkeit der Unternehmen), ist es zweckmäßig, die Ausdehnung der finanziellen Beteiligung auf das gesamte Wirtschaftssystem der europäischen Länder zu fördern und auch für KMU, den öffentlichen und den gemeinnützigen Sektor spezifische Formen der Beteiligung zu fördern, da auch diese Sektoren wichtige Bestandteile des Wirtschaftssystems sind.
  1.  Die allgemeinen Grundsätze
    1.   Die Festlegung der gemeinsamen Grundsätze für die Systeme der finanziellen Beteiligung ist der Ausgangspunkt zur Festlegung der Strategie der Europäischen Union in diesem Bereich. Die allgemeinen Grundsätze stellen die Kernelemente dar, wenn es darum geht, die finanzielle Beteiligung in den EU-Staaten zu qualifizieren und sicherzustellen, dass sie mit den Zielen der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Unternehmen und der Arbeitsqualität sowie der Verstärkung des sozialen Zusammenhalts übereinstimmt, welche, wie auf der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon bekräftigt, die Grundlage der Politik der Union darstellen.
      1.   Diese Grundsätze dürfen nicht zur Festlegung eines einheitlichen und starren Modells der Beteiligung führen, sondern sollen vielmehr die Grundlage liefern, auf der die Mitgliedstaaten und Sozialpartner mit ihren Initiativen einen gemeinsamen Weg gehen können, indem sie flexible Formen wählen, die sich an die einzelstaatlichen Besonderheiten und ihr jeweiliges wirtschaftliches Umfeld anpassen.
    1.   Die von der Kommission dargelegten allgemeinen Grundsätze stellen einen nützlichen Beitrag zu diesem Zweck dar. Der EWSA bekräftigt insbesondere, wie wichtig es ist, dass die Systeme der finanziellen Beteiligung den Grundsatz der Freiwilligkeit sowohl für die Unternehmen als auch für die einzelnen Arbeitnehmer, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung der Arbeitnehmer, den Grundsatz der Klarheit und Transparenz der Beteiligungssysteme – bei möglichst umfassender Konsultation der Arbeitnehmer - und schließlich den Grundsatz der Regelmäßigkeit gewährleisten. Auch dürfen sie die normale Entlohnung nicht ersetzen. Dadurch könnten übermäßige Risiken der finanziellen Beteiligungssysteme vermieden werden.
    1.   Ein weiterer wichtiger Grundsatz, der eine eingehendere Behandlung verdient, besagt, dass die finanzielle Beteiligung die Mobilität der Arbeitnehmer nicht behindern sollte. Es besteht nämlich ein gewisser Widerspruch zwischen diesem Grundsatz und dem Ziel, die Arbeitnehmer an das Unternehmen zu "binden", das mit den Systemen der finanziellen Beteiligung strukturell verfolgt wird. Besondere Bedeutung erlangt dieser Gegensatz angesichts der zunehmenden Verbreitung flexibler Beschäftigungsformen in allen EU-Staaten.
      1.   Nach Ansicht des EWSA müssen bei den Systemen der finanziellen Beteiligung auch die besonderen Problematiken jener Arbeitnehmer berücksichtigt werden, deren Arbeitsverhältnisse eine größere Mobilität erfordern.
    1.   Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze wird des Weiteren zum Zwecke der Verbreitung der Systeme der finanziellen Beteiligung den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern wesentliche Bedeutung beigemessen. Denn die Entwicklung der finanziellen Beteiligung kann in den europäischen Unternehmen große Bedeutung gewinnen.
    1.   Eine weitere Bemerkung gilt der Tatsache, dass bei den von der Kommission aufgeführten Grundsätzen nicht zwischen den verschiedenen Formen finanzieller Beteiligung unterschieden wird. Die beiden wesentlichen Formen derselben, nämlich die Gewinnbeteiligung und die Aktienbeteiligung, können nämlich völlig unterschiedliche Merkmale aufweisen, nicht nur bei der konkreten Anwendung der Beteiligungssysteme, sondern auch bei den Zielen, die mit ihnen verfolgt werden, und bei den Voraussetzungen für ihre Anwendbarkeit.
      1.   Die Aktienbeteiligung stellt die vollständigste Beteiligungsform dar, weil durch die Kapitalbeteiligung eine stärkere und langfristigere Verbindung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern geschaffen wird, indem letztere strukturell ins Leben des Unternehmens eingebunden werden. Diese stärkere Einbindung bringt jedoch für die Arbeitnehmer ein größeres Risiko mit sich, da der künftige Wert der Aktien schwanken kann.
      1.   Die Ergebnisbeteiligung hingegen lässt sich in anderen Bereichen als den Großunternehmen besser einsetzen, weil sie einen flexiblen und anpassungsfähigen Einsatz in verschiedenen Arten von Einrichtungen, in denen einen finanzielle Beteiligung möglich ist, zulässt.
    1.   Angesichts dieser Differenzierung hebt der Ausschuss hervor, dass insbesondere bei Kapitalbeteiligungen auch der Beitrag berücksichtigt werden sollte, den die Systeme der finanziellen Beteiligung zur "corporate governance" (Unternehmensführung) leisten können.
      1.   Arbeitnehmer, die mit Aktien am Unternehmenskapital beteiligt sind, können nämlich zur Verbesserung der "corporate governance" des Unternehmens beitragen, da sie Investoren sind, die an der langfristigen Leistungsfähigkeit des Unternehmens interessiert sind, wohingegen die Marktinvestoren vorwiegend kurzfristig denken.
      1.   Arbeitnehmer, die gleichzeitig Aktionäre des Unternehmens sind, nehmen durch die vom Gesellschaftsrecht gebotenen Instrumente (vor allem die Hauptversammlung, aber auch die anderen Tätigkeitsformen der Aktionäre) aktiv am Leben ihres Unternehmens teil und können einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle der Unternehmensführung leisten, eine Aufgabe, deren zentrale Bedeutung angesichts des Ziels einer größtmöglichen Kohärenz zwischen der Unternehmensführung und den Interessen aller Aktionäre immer mehr an Bedeutung gewinnt.
      1.   Daher scheint die Anregung zweckmäßig, unter den verschiedenen Grundsätzen auch die Aufwertung des Beitrags der Aktien besitzenden Arbeitnehmer an der "corporate governance" der Unternehmen, die Systeme der finanziellen Beteiligung einführen, zu nennen, weil dadurch die aktive Beteiligung der Arbeitnehmer am Leben des Unternehmens auf eine mit dem Unternehmensmodell und den gewählten Beteiligungsinstrumenten zu vereinbarende Weise gefördert wird. In diesem Zusammenhang sollten auch die Formen der kollektiven Beteiligung in Form frei gewählter Zusammenschlüsse – Genossenschaften, Stiftungen oder Vereine –  gefördert werden.
      1.   Allgemeiner ausgedrückt erfordert eine stärkere Einbindung der Arbeitnehmer in das Unternehmenskapital, die ja das Ziel der Entwicklung der Systeme der finanziellen Beteiligung ist, eine immer größere Qualität der Systeme der "corporate governance" der europäischen Unternehmen, einen stärkeren Schutz aller Minderheitsaktionäre un d eine Verstärkung der Instrumente der Unternehmensdemokratie. Die Beteiligung der Arbeitnehmer fördert eine wirksame Vermögensbildung zugunsten von Arbeitnehmern. In dieser Hinsicht sollte die Initiative der Europäischen Union im Bereich der "corporate governance" verstärkt und dabei das spezifische Ziel verfolgt werden, die Instrumente für ein besseres Gleichgewicht in den Anreiz- und Kontrollsystemen, welche die Beziehungen zwischen Eigentum und Kontrolle in den europäischen Unternehmen regeln, aufzuzeigen.
  1.  Transnationale Hindernisse
    1.   Die Unterschiedlichkeit der Steuerregelungen, der Sozialabgaben, des allgemeinen Rechtsrahmens und des kulturellen Umfelds, vor allem innerhalb des Systems der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern, kann für die Unternehmen, die Systeme der finanziellen Beteiligung entwickeln und anwenden wollen, die Arbeitnehmer aus verschiedenen Ländern der EU betreffen, ein großes Hindernis darstellen.
      1.   In der Mitteilung der Kommission werden diese Aspekte genau beschrieben und einige mögliche Vorgehensweisen zur Überwindung der wesentlichen Hindernisse dargestellt.
    1.   Der Ausschuss teilt die Auffassung, dass eine Initiative der Kommission zur Harmonisierung der Vorschriften für Systeme der finanziellen Beteiligung nicht praktikabel ist, weil dadurch die notwendige Flexibilität und Ausgestaltung der einzelstaatlichen Politiken behindert werden könnte und dafür wohl auch keine geeignete Rechtsgrundlage besteht.
    1.   Der Ausschuss hebt hervor, dass vor allem eine engere Koordinierung der derzeitigen Praktiken durch die Erstellung von Leitlinien und Vereinbarungen zwischen den Akteuren über die allgemeinen Grundsätze und die Festlegung von Maßnahmen zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung angestrebt werden muss.
      1.   Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der wirksamste Weg zur Überwindung der transnationalen Hindernisse darin besteht, allgemeine Grundsätze für die Systeme der finanziellen Beteiligung aufzustellen, die an das jeweilige einzelstaatliche Umfeld angepasst werden können und ihre Übertragbarkeit auf die europäische Ebene erleichtern.
      1.   Ein wichtiger Aspekt in diesem Bereich ist die Festlegung einer gemeinsamen Regelung des Angebots von Aktien oder Optionen an die Arbeitnehmer, die ihre Befreiung von den Prospektveröffentlichungspflichten vorsieht und dadurch die derzeitigen Unterschiede überwindet.
      1.   Diesbezüglich sei auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäische Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist"3 verwiesen, in der es hieß, in dem Richtlinienentwurf "wird der Anwendungsbereich der Ausnahmen (...) in unangemessener Weise eingeschränkt, u.a. in Bezug auf das Anbieten der Ausübung von Rechten und das Anbieten von Aktienoptionen an Angestellte".
    1.   Bei der Aufstellung von allgemeinen Grundsätzen für die Systeme der finanziellen Beteiligung ist darauf zu achten, dass nicht indirekt in Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen wird.
  1.  Für eine größere Verbreitung der finanziellen Beteiligung
    1.   Die Möglichkeit einer weiteren Verbreitung der Erfahrungen mit der finanziellen Beteiligung hängt erheblich davon ab, ob rechtlich, steuerlich, kulturell und in den Gepflogenheiten der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern ein günstiges Umfeld dafür besteht.
    1.   Nach Ansicht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses ist der Rahmen der von der Kommission vorgesehenen Initiativen derzeit dem Ziel angemessen, die Verbreitung der finanziellen Beteiligung zu fördern. Eines der zu behandelnden Themen sollte die Frage sein, ob auch die finanzielle Beteiligung in nicht an geregelten Märkten notierten Unternehmen in Betracht gezogen werden soll. Denn solchen Unternehmen stellen sich spezifische Probleme hinsichtlich der Qualität, Ausdehnung und Rechtzeitigkeit der Finanzinformationen. Bei Kapitalbeteiligungen in nicht börsennotierten Unternehmen müssen darüber hinaus die Voraussetzungen und Instrumente für die Feststellung des Werts der Aktien und für ihre Übertragbarkeit näher untersucht werden, da hier kein Markt vorhanden ist, auf dem der Wert der Aktien ständig festgesetzt wird und der eine Verkaufsmöglichkeit für sie bietet.
      1.   Das Thema der finanziellen Beteiligung an nicht börsennotierten Unternehmen gewinnt besondere Bedeutung, wenn angestrebt wird, dass sie zu einem Strukturmerkmal der europäischen Wirtschaftssysteme wird, denn in den meisten europäischen Ländern stellen die an einem geregelten Markt notierten Unternehmen einen sehr geringen Teil der dortigen Wirtschaftstätigkeit dar. Im Einzelnen müssen die Besonderheiten dreier verschiedener Sektoren berücksichtigt werden: die KMU, die gemeinnützigen Unternehmen und der öffentliche Sektor.
      1.   Angesichts der erheblichen Schwierigkeiten der KMU, die ein wichtiger Bestandteil des europäischen Produktionssektors sind, bei der Einführung von Formen der finanziellen Beteiligung müssen die Untersuchungen zu diesem Sektor vertieft werden. Die Stiftung von Dublin bereitet eine einschlägige Studie vor, deren Ergebnisse im Rahmen einer umfassenderen Bemühung um Verbreitung von Kenntnissen über die Hindernisse und die für KMU geeignetsten Beteiligungsformen veröffentlicht werden müssen; die Erfahrung der kleinen und mittleren Genossenschaften oder der kleinen Arbeitnehmeraktiengesellschaften kann hierbei als Bezugsrahmen dienen.
      1.   In den kleinen und mittleren Unternehmen stellt sich zunächst das Problem, eine angemessene Transparenz der Betriebsergebnisse und der Einkommens- und Finanzaussichten zu gewährleisten. In diesem Rahmen muss die Einführung spezifischer Maßnahmen der finanziellen Beteiligung mit der Öffnung dieser Unternehmen im Bereich der Information einhergehen und kann zu dieser beitragen.
      1.   Darüber hinaus kann die finanzielle Beteiligung in diesen Unternehmen dazu beitragen, externe Finanzquellen zu erschließen, um ihr Wachstum zu beschleunigen; dies gilt vor allem für Unternehmen, die über eine hohe Professionalität der Arbeitnehmer verfügen und in stark innovativen Sektoren tätig sind. So kann die Festlegung von Plänen der finanziellen Beteiligung in Unternehmen dieser Art, vor allem in den Formen der Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer, eine wichtige "Signalwirkung" für die Wachstumspotentiale des Unternehmens gegenüber den Finanzinstitutionen haben. Dieses Signal kann zur Überwindung des strukturbedingten Misstrauens der externen Geldgeber gegenüber jungen und/oder kleinen Unternehmen beitragen. Denn einerseits können die Arbeitnehmer als Insider des Unternehmens über bessere Informationen über die Wachstumspotentiale verfügen, andererseits werden diese Potentiale durch den Beitrag verstärkt, der aus der Beteiligung der Arbeitnehmer an den Betriebsergebnissen entsteht.
      1.   Bei kleinen und mittleren Unternehmen müsste darüber hinaus die Möglichkeit von Formen der finanziellen Beteiligung auf der Ebene eines Pools mehrerer Unternehmen geprüft werden, vor allem wenn diese im gleichen Industriedistrikt tätig sind.
        1.  Schließlich kann die finanzielle Beteiligung bei der Sicherstellung des Überlebens von Unternehmen bei betrieblichen Schwierigkeiten eine Rolle spielen, wenn die Arbeitnehmer zu Aktionären werden. In diesem Zusammenhang sollten die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehenden guten Praktiken in puncto Branchenfonds und überbetriebliche Fondslösungen geprüft und gefördert werden.
      1.   Hinsichtlich der finanziellen Beteiligung in gemeinnützigen Unternehmen und im öffentlichen Sektor sei zunächst darauf hingewiesen, dass deren Rechtsstellung gewöhnlich keine finanzielle Beteiligung in Form einer Kapitalbeteiligung erlaubt. Hier geht es also vor allem um Formen der Beteiligung an den Betriebsergebnissen. Auch hier muss die Besonderheit dieser Unternehmen berücksichtigt werden, denn ihre Ergebnisse kommen vor allem in der Menge und Qualität der von ihnen angebotenen Dienstleistungen zum Ausdruck. In dieser Hinsicht gibt es einige interessante Erfahrungen, wie z.B. im öffentlichen Sektor Irlands, die näher untersucht werden sollten. In Irland wurde mit den Beträgen, die für die dezentralen Tarifverhandlungen bestimmt waren, ein Fonds eingerichtet, dessen Quoten an die Beschäftigten des öffentlichen Sektors auf der Grundlage der Erreichung bestimmter, nach einheitlichen Tätigkeitsbereichen definierter Ziele für das Dienstleistungsangebot verteilt werden.
      1.   Bei denjenigen Stellen, bei denen es in besonderem Maße auf die Unabhängigkeit von Staatsdienern ankommt (Eingriffsverwaltung, Justiz, etc.), sollte jedoch hinsichtlich der Einführung von leistungsbezogenen Gehaltselementen behutsam und damit auch bezüglich der Einführung einer etwaigen Gewinnbeteiligung sehr umsichtig vorgegangen werden. Jedenfalls ist die Unabhängigkeit dieser Bereiche durch eine angemessene (fixe) Besoldung sicherzustellen.
  1.  Schlussbemerkungen
    1.   Die Mitteilung der Kommission stellt einen wichtigen Beitrag zur Neubelebung der Gemeinschaftsinitiative im Bereich der finanziellen Beteiligung und zur Veranlassung der Mitgliedstaaten und sozialen Kräfte, konkrete Maßnahmen zur Förderung ihrer Verbreitung zu ergreifen, dar. In diesem Rahmen erscheint die Festlegung der allgemeinen Grundsätze, nach denen sich die Gemeinschaftsstrategie richtet, als wesentlich; bei den Anwendungsformen muss jedoch flexibel vorgegangen werden.
    1.   Der Ausschuss hebt hervor, dass die finanzielle Beteiligung mit den Zielen des sozialen Zusammenhalts und der Wirtschaftsentwicklung übereinstimmt, die sich die europäische Union gesteckt hat, und hält es daher für zweckmäßig, die Bemühungen um Förderung dieses Instruments zu intensivieren, indem die Kenntnisse über dieses Thema vertieft und die derzeit bestehenden Hindernisse festgestellt werden. Diese Bemühungen sollten sich im übrigen nicht auf die multinationalen Großunternehmen beschränken, sondern es sollten auch die spezifischen Erfordernisse der anderen Sektoren wie KMU, des gemeinnützigen und des öffentlichen Sektors, die einen wichtigen Bestandteil der europäischen Wirtschaft darstellen, berücksichtigt werden.
    1.   Der Ausschuss hofft, mit dieser Stellungnahme einen Beitrag zur Klärung der Strukturmerkmale der finanziellen Beteiligung in ihren verschiedenen Anwendungsformen und möglichen Anwendungsbereichen geleistet zu haben.
    1.   Der Ausschuss unterstreicht, dass die finanzielle Beteiligung innerhalb des heutigen Systems der "corporate governance" der europäischen Unternehmen und hinsichtlich des möglichen Beitrags betrachtet werden muss, den sie zur Förderung des Wachstums und der Transparenz der europäischen Unternehmen leisten könnte. In dieser Hinsicht können die Sozialpartner eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Formen der finanziellen Beteiligung zu definieren, die eine größere Identifikation mit den Unternehmenszielen begünstigen und die Investitionen in Humankapital stärken, die ja einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der europäischen Wirtschaft leisten.
 

            Brüssel, den 26. Februar 2003 
 

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 
 
 
 

Roger BRIESCH

Der Generalsekretär

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 
 
 
 

Patrick VENTURINI

 
 

____________________

1  Ziffer 1.5 der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates (Lissabon) vom 23./24.03.2000.


2  Siehe insbesondere den Bericht der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Dublin) "Employee share ownership and profit sharing in the European Union", 2001.


3  Siehe Stellungnahme des EWSA im ABl. C 80 vom 3.04.2000 (Berichterstatter: Herr LEVITT).


- -


CESE 284/2003 (IT) MV-PF/DC/MV-S/bb 


CESE 284/2003 (IT) MV-PF/DC/MV-S/bb